Gablitz 1900-1918

Zum Gemeindegebiet gehörte das Dorf Gablitz (bis Höbersbach), das Dorf Hochbuch (mit Buchgraben), die Rotten Hauersteig, Paillerstein, Fischergraben, Allhang, die Einschicht Laabach und die Einzelgehöfte in Hohleichen, Rabenstein und Hochramalpe. Um 1900 war das Dorf Gablitz ein beschaulicher Ort mit 151 Häusern u. 1084 Ew, zu Hochbuch gehörten 42 Häuser (220 Ew). 1910 zählte man in Gablitz bereits 208 Häuser und 1882 Einwohner. In Hochbuch, der Siedlung oberhalb des Ortes, gab es 74 Häuser (473 Ew).1

Langjähriger Bürgermeister (1900-1909) war Ferdinand SCHÖNWIESE und im Gemeinderat waren der Gemeindearzt Dr. Julius Singer, der Wagnermeister Leopold Fritz, der Bäckermeister Adolf Turek und der Hausbesitzer Ludwig Kerbler.2 Der Gemeindeausschuss bestand aus neun gewählten Mitgliedern und aus einem nichtgewählten Mitglied der k.k. Forstaerar. Johann Schmid war Gemeindesekretär. 1910 wurde Dr. E. Helfert als  Regierungskommissär eingesetzt, 1911 schien Leopold Fritz als Bürgermeister auf und während der Kriegstage Ferdinand Baumgartner.

Das Bürgermeisteramt befand sich im Haus Ferdinand Schönwieses, Linzerstraße 64. Die dominantesten Bauwerke waren wohl das Kloster und das Bräuhaus. Die Kirche war zu klein geworden, sodass sich ein "Kirchenbauverein" bildete. Die 1894 erbaute drei- bzw. vierklassige Volksschule war eine der modernsten. Im Gemeindegebiet waren um die Jahrhundertwende neben den Bauernhöfen 64 Firmen und Gewerbetreibende ansässig.

Gablitz hatte 19053 eine Menge Betriebe und Gewerbetreibende:

8 Wirtshäuser und Restaurants2 Stellfuhrwerke (Broidl und Gattermayer)
6 Lebensmittelhändler2 Bäcker
1 Zuckerbäcker1 Fleisch-Ausrotter
2 Fleischhauer1 Feigenkaffee-Rösterei
1 Milchhändler1 Eishändler
6 Schuhmacher4 Tabak-Trafiken
3 Raseure (Friseure)2 Wäsche-Feinputz
1 Schneider1 Goldstickerin
1 Bildhauer1 Badhaus (Schwimmbad)
1 Arzt1 Hebamme
2 Ziegelwerke2 Steinmetze
1 Schotterbruchbesitzer2 Schmieder
1 Maurer3 Tischlereien
2 Zimmerer1 Wagner
1 Spengler1 Glaser
1 Gärtner1 Anstreicher
1 Rauchfangkehrer1 amerikanische Luftschaukel-Besitzer
1 Schießstattbesitzer auf der Hochram 

1908 sind im Österreichischen Zentralkataster der Handels- Industrie- und Gewerbebetriebe von Niederösterreich noch viel mehr Firmen in Gablitz, Hochbuch, Höbersbach und Hochramalpe eingetragen.

Durch die Kaiser Elisabeth Bahn (Westbahn) war Purkersdorf und somit das nahe gelegene Gablitz von Wien gut erreichbar. Die erste Autobuslinie Österreichs (!), geplant für den Sommertourismus, führte 1900 von der Bahnstation Purkersdorf bis zum Gasthaus Franz Broidl auf der Linzerstr. 80. Betrieben wurde die Linie von der "Ersten österreichischungarischen Automobil Betriebs Ges. A. Hermann & Co" mit einem 8 PS starken "Cannstatter Daimler Omnibus". Einige Monate später wurde die Autobuslinie nach einem Unfall eingestellt.4 Adalbert Hermann, nahm den Betrieb im April 1901 wieder auf, aber schon 1903 verschwand der Geschäftsführer mit dem gesamten Firmenvermögen nach Amerika.5

Gablitz war um 1900 ein recht beliebter Sommerfrischeort, der vor allem von WienerInnen oft aufgesucht wurde. Sie mieteten sich bei den umliegenden Bauerhöfen als Sommerparteien ein, ließen Häuser errichten oder kamen als Tagesausflügler auf die Hochramalpe, ins seit langem berühmte Bräuhaus (Fa. Herzfelder bzw. Gattermayer) oder zum Gasthof Broidl "Zum grünen Jäger".6 Broidl und Gattermayer hatten vorsorglich auch Stellfuhrwerkbetrieb, sodass die Wiener sonntags bequem vom Bahnhof nach Gablitz fahren konnten. Abgesehen davon gingen damals die meisten Menschen lange Strecken zu Fuß - und die sechs Schuhmachermeister in Gablitz hatten genügend Arbeit.

1874/767 war auch in Gablitz - wie in anderen Orten - ein Verschönerungsverein gegründet, um den Fremdenverkehr zu unterstützen. So kümmerte sich der Verschönerungsverein um die Errichtung von Wanderwegen und Ruheplätzen, sie sorgte für Beleuchtung und für Unterhaltung der Sommergäste, und das Damenkomitee unterstützte arme Gablitzer Schulkinder8. Obmann des Vereins war 1901-1905 Dr. Julius Singer, ab 1905 Oberlehrer

Ramler und ab 1911 Komponist Heinrich Lefnaer. Dieser organisierte Sommerkonzerte und Theater-Aufführungen, wobei auch hier lebenden Künstler mitwirkten. In Wien organisierte er „Gablitzer Kirtage". 1908 wurde ein Denkmalkomitee zur Errichtung eines Kaiserdenkmals gegründet: die Büste Kaiser Franz Josephs wurde von J. Benk gestaltet, 1911 enthüllt und 1918 zerstört, 1985 neu gegossen und an anderer Stelle errichtet. 2012/13 wird dieser Platz umgestaltet und die Büste auf einem modernen, schlichten Sockel aufgestellt.

Um die Jahrhundertwende gab es u.a. die freiwillige Feuerwehr mit den von Dr. Singer gegründeten Rettungscorps, den Männergesangsverein, die Schützengilde, Volksbücherei, Kirchenchor und den Kirchenbauverein sowie den Athletenclub "Cherusker".9 Die Vereinssitzungen fanden in den Gasthäusern statt. Ein Postamt war im Ort und es gab 1913 zwei Telefonanschlüsse: Das "Artistenheim Raimund Huber" Linzerstr. 78 hatte die Tel.Nr.1. Fritz Grünbaum und Carli Nagelmüller, Hauptstr. 34, die Tel. Nr. 2. Elektrisches Licht wurde in Gablitz erst 1921 eingeleitet.

Ab 1900 sind einige Künstler, Kunstsammler und andere Persönlichkeiten in Gablitz nachweisbar:

  • Adolf Batscher, Bildhauer. Über ihn ist fast nichts bekannt, nur dass die Häuser Hauptstr. 32 und 34 Jeanette Batscher gehörten. Carli Nagelmüller, die erste Frau von Fritz Grünbaum kaufte 1906 das Haus Hauptstraße Hauptstr. 34 von der „Verlassenschaft Jeanette Batscher.“ Und am Haus Hauptstr. 32 war „Adolf Batscher“ Eigentümer.
  • Ferdinand Ebner (1882-1931): ab 1912 in Gablitz als Volksschullehrer tätig, wo auch seine Hauptwerke entstanden, die im Brenner Verlag in Innsbruck veröffentlicht werden. Er bezeichnete sich als "Bedenker des Wortes" und wird als Dialogphilosoph bzw. als religiös fundierter Sprachphilosoph bezeichnet. Ebner war mit dem Zwölfton-Komponisten Matthias Hauer in Kontakt, der seine 1. Symphonie Ebner widmete. Befreundet war der sehr zurückgezogen lebende Ferdinand Ebner mit dem Künstler-Ehepaar Hildegard Jone (Malerin, Lyrikerin) und Joseph Humplik (Plastiker).
  • Fritz Grünbaum (1886-1941), in Gablitz 1908 bis 1914: Schriftsteller, Kabarettist, Librettist, wohnte bis 1914 ztw. Hauptstr. 34. Fritz Grünbaum trat 1912 zu Gunsten der Feuerwehr und Rettung im Gasthof Stadlmaier auf. Er verfasste Operetten- Libretti: u.a. Die Dollarprinzessin. Schlagertexte wie Ich hab das Fräul´n Helen baden sehn und Draußen in Schönbrunn. In seiner reichhaltigen Kunstsammlung waren Bilder von Dürer, Rembrandt, Degas, Spitzweg, Kokoschka, 60 Arbeiten von Schiele. Der Verbleib dieser Kunstsammlung ist bis heute nicht völlig geklärt. Fritz Grünbaum starb 1941 im Konzentrationslager.

Durch den ersten Weltkrieg wurde die Bautätigkeit und der Sommertourismus eingeschränkt und Gablitz hatte 42 Gefallene zu beklagen, darunter auch den Gemeindearzt Dr. Julius Singer. Heinrich Lefnär musste 1918 sein Anwesen verkaufen, blieb Gablitz aber mit der Organisation der "Gablitzer Kirtage" weiter verbunden.

Der Gablitzer Gemeindearzt Dr. Julius Singer war ursprünglich mosaisch16. 1893 kommt er als erster Arzt nach Gablitz und wie damals üblich, engagierte er sich in der Gemeinde und bei div. Vereinen.

Der Gablitzer Gemeindearzt Dr. Julius Singer war ursprünglich mosaisch16. 1893 kommt er als erster Arzt nach Gablitz und wie damals üblich, engagierte er sich in der Gemeinde und bei div. Vereinen.

So war er 1893 Gründungsmitglied des Gablitzer Männerchores (bei dem Frauen mitwirkten) mit Vereinssitz im Gasthof „Zum Grünen Jäger17“, in dem auch die Liederabende stattfanden. Ab 1900 war er Gemeinderat und 1901 Obmann des Gablitzer Verschönerungsvereins.

Dr. Singer setzte sich für bessere Verkehrsverbindungen ein und 1900 entstand auf seine Initiative die erste Autobuslinie zwischen dem Bahnhof Purkersdorf und Gablitz.18 Er war Ortsschulaufseher19 und gründete den Rettungscorps im Rahmen der Freiwilligen Feuerwehr. Auf seinen Antrag wurde Fritz Grünbaum zum „Ehrenmitglied“ ernannt. 1913 scheint Singer im Komitee des „Gablitzer Kirchtags“ in Wien auf. 1915 stirbt er - nur 51 Jahre alt. Einige Jahre ist Gablitz wieder ohne Arzt, bis 1920 der 1891 geborene Dr. Emilian Weymann in Gablitz Gemeindearzt20 wird. Das Ehepaar Weymann wird 1928 das Haus Hauptstr. 34 von Carli Nagelmüller-Grünbaum erwerben.

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Quellenangaben

1 Kurt Klein: Historisches Ortslexikon, Band 4, S 52f
2 NÖ Amtskalender 1901
3 Orts- und Orientierungsschema der Ortsgemeinde Gablitz 1905
4 wegen überhöhter Geschwindigkeit: statt 6 km/h war mit 7 km/h gefahren worden lt. Broschüre "90 Jahre Erste Autobuslinie in Österreich S. 7
5 90 Jahre Erste Autobuslinie in Österreich S. 6-7
6 ab 1907 im Besitz der Familie Stadlmaier
7 Der Verschönerungsverein wurde lt. Recherche von B. Weiss 1876 unter Zl. 16890/1876 von der k.k. nö Statthalterei bewilligt, mit Obmann Anton Schönlein, StV Ludwig Kerbler, Schriftführer Anton Schönwiese, Kassier Johann Schönlein. 1905-1911 Ramler, ab 1911 H. Lefnaer Obmann.
8 Lehrerprotokolle 1906-1912
9 vgl. Orts- und Orientierungsschema der Ortsgemeinde Gablitz 1905 und eigene Recherche
16 Kopie eines Brief aus 1899 im Archiv, in welchem Dr. Singer der k.k. Bezirks Hauptmannschaft Hietzing Umgebung die Absicht mitteilt, dass er, seine Frau Marianne, die Kinder Karoline * 1892, Sigmund * 1893 und Alfred * 1896 die Absicht haben, katholisch zu werden.
17 Broidl auch Proidl, ab 1907 Gasthaus Stadlmaier, Linzerstraße 80
18 Weinrich / Plöckinger (1990): NÖ Ärztechronik. Geschichte der Medizin und der Mediziner NÖs, S 726
19 Lehrerkonferenzbuch 1906-1916 der Gablitzer Volksschule, transkribiert von R. Grimmlinger 2011
20 Weinrich / Plöckinger (1990): Niederösterreichische Ärztechronik, S. 789.

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